12 Haziran 2013 Çarşamba

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Zum Tod des Schriftstellers Iain Banks: Der Name der Zukunft: Kultur


11.06.2013 ·  Er war ein Universalist, der sich für Politik und phantastisches Erzählen gleichermaßen faszinieren konnte. Zum Tod des Romanciers und Science-fiction-Autors Iain Banks.

Ein Autor, der Paralleluniversen schuf und doch immer in der politischen Gegenwart war: Iain Banks

Als er 2004 genug hatte von Tony Blair und dessen eifriger Servilität sowohl gegenüber Washington wie im Dienste inländischer Privatisierer staatlicher Vermögenswerte, zerstörte Iain Banks im Zorn seinen vom Vereinigten Königreich ausgestellten Pass, nannte sich fortan nachdrücklich einen „Bürger Schottlands“ und verlangte mit anderen Kunstschaffenden, Intellektuellen und Genervten die schnellstmögliche Absetzung von „Bushs Pudel“ wegen Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges sowie genereller regierungsästhetischer Unhaltbarkeit. Davon, wie man unübersehbare Zeichen setzt, verstand dieser Schriftsteller mehr als jeder Newsticker - als Herausforderung an sich selbst, in der Absicht, hohe Erwartungen erst kühn zu wecken und dann in liebevoller Kleinarbeit an stachligen Mikado-Plotkonstruktionen tatsächlich zu erfüllen, schuf er daher auch besonders gern Romananfänge, die sich lesen wie das lautlose Auseinandergleiten riesiger, dunkel weinroter Samtvorhänge im transgalaktischen Welttheater: „Das Schiff hatte nicht einmal einen Namen.“ („Consider Phlebas“); „Ich war eben mit meiner Patrouille entlang den Opferpfählen fertig, als wir erfuhren, dass mein Bruder hatte fliehen können.“ („The Wasp Factory“); „Gefangen.“ („The Bridge“). Absage an die Weltraumzuckerwatte Hatte man das „Wespenfabrik“-Debüt, die aufgeräumte Lebensbeichte des sechzehnjährigen Psychopathen Frank, 1984 noch einer britisch abgekühlten Variante des lateinamerikanischen „magischen Realismus“ zugeordnet, so stellte Banks 1987 klar, dass er die Gattungen realistischer Zeitroman, Psychodrama und Phantastik keineswegs für austauschbar hielt oder gar ineinander verschwimmen lassen wollte: „Consider Phlebas“ erschien als erstes einer langen Reihe von Werken unter dem Namen „Iain M. Banks“; der mittlere Buchstabe (für „Menzies“) machte von da an den Verfasser lupenreiner Space Opera kenntlich. Ein derartiges Genre und seine Eigengesetzlichkeit zu respektieren, hieß für Banks freilich nicht, die Leserschaft mit mundgerechter Weltraumzuckerwatte zu verzärteln. Ein Held in der Campbell-Heinlein-Tradition Wo also die Science-fiction-Konkurrenz sich vielfach gerade erst zaghaft zu den literarischen Errungenschaften der Moderne wie „unzuverlässiger Erzähler“, „innerer Monolog“ oder „nichtlineare Szenenfolge“ vorarbeitete, riskierte „Consider Phlebas“ ein Voranschreiten des Handlungsgangs auf dünnstem Eis. Die Figur, der man folgt, wirkt eingangs wie ein typischer Held in der Campbell-Heinlein-Tradition unaufhaltsamer Überwinder interstellarer Distanzen, die gegen ein monolithisches Reich des Bösen kämpfen, das nicht zufällig den Schreckbildern zu gleichen schien, die man im Westen seinerzeit von der Sowjetunion und ihren Einflusszonen malte - bis sich, Ernüchterung um Ernüchterung, herausstellt, dass die heilige Sache, für die sich jener Gestaltwandler Bora Horza Gobuchul wie nur je ein Contra-Söldner in Nicaragua oder ein religiös entflammter Afghane schlägt, in Wirklichkeit ein Haufen Lügen, Irrtümer und Selbsttäuschungen ist, während die Feindzivilisation mit Recht so heißt, wie Banks sie nennt: „the Culture“, die Kultur. Ein gigantisches biologisch-epistemologisches Panorama Diese utopische Hochzivilisation verhält sich in allen Folgebänden so, wie der Verfasser sich das für ein von Kapitalinteressen und feudalmonarchischen Rückständen befreites Großbritannien explizit gewünscht hat: „nach innen anti-autoritär sozialistisch, nach außen tolerant anarchistisch“. Keinerlei Berührungängste hemmten dabei den Banksschen Zugriff auf das Hochkulturgut, mit dem das Empire - und was nach zwei Weltkriegen davon übrig geblieben war - sein Selbstbild, seine erfreulichen wie seine finsteren Züge zu befestigen gewohnt war: Die Titel der Romane „Consider Phlebas“ und „Look to Windward“ (2000) sind Zitate aus T.S. Eliots epischem Gedicht „The Waste Land“, die Sprache von „Feersum Endjinn“ (1994) hat von Joyce und Burgess gelernt, das gigantische biologisch-epistemologische Panorama von „Matter“ (2008) rekontextualisiert Charles Darwins Theorien in bewusst polemischer Wendung gegen den erzbritischen Sozialdarwinismus Herbert Spencers. Freiraum für Erfindergeist, Freiraum dem Kunstsinn  Vor keineswegs Rosa-in-Rosa gemaltem, oft genug dunklem Hintergrund schuf Banks mit seiner Science-fiction fortan ökonomische, evolutionäre und mathematisch-physikalische Gedankenspiele, die allesamt davon handeln, dass dem Erfindergeist und dem Kunstsinn noch viel zu tun bleibt, wenn leiblicher Mangel und historisch ererbte Unfreiheit samt sonstigen peinlichen Erdenresten („Scarcity“) dermaleinst überwunden sein werden. Als gewandter, anspruchsvoller, bisweilen gar avantgardistischer („Feersum Endjinn“) Stilist gewann er mit diesen Arbeiten nach und nach auch Publikumssegmente, die ihm politisch denkbar fern standen. Ein Realist und Phantast Am schottischen Separatismus faszinierte ihn, der doch sonst Universalist war, aber dialektisch denken konnte, dass nach der Jahrtausendwende, als die antiimperialistischen Befreiungsnationalismen des zwanzigsten Jahrhunderts vom Baskenland bis nach Nahost vielfach in völkischem Mief verkamen, ausgerechnet vor der Haustür der neuen Londoner Weltordner-Clique ein kleines, vollkommen chaotisches Widerstandsnest existierte, aus dem heraus man Gestalten wie Blair wunderbar lästig sein konnte. Fäusteschüttelnde Einwürfe zugunsten der Palästinenser passten für ihn dazu; manche Leser hat das überrascht, sah er das Politische sonst doch nicht romantisch, eher realistisch, die Möglichkeiten menschlicher Phantasie und Liebe dafür bedingt optimistisch: „We ran across Renfield Street, holding hands“: So endet sein wunderschönes Zwiegespräch zwischen Hoffnung und Niedergeschlagenheit über die Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001, „Dead Air“ (2002).

Am Sonntag ist Iain Banks im Alter von 59 Jahren gestorben. (Von Dietmar Dath,  Frankfurter Allgemeine)